100 Jahre Obst- und Gartenbauverein Hemhof
1912–2012
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zum Ziergarten nach demVorbild der Prominenz. Er diente dem Repräsentieren
und Feiern. Gepflegter Rasen, Grill und Hollywood-Schaukel gehörten dazu. Die
„Wirtschaftswunderzeit“ brachte exotische Blumen und Zierpflanzen in den „neu-
modischen“ Supermarkt. Radi oder Bohnen waren zu jeder gewünschten Zeit zu
kaufen – warum selber anbauen!?
Beim Gartenbauverein stand traditionell ausgerichteter Balkonschmuck im Mit-
telpunkt. Seit Anfang der 1960er Jahre wurden bei nahezu jeder Versammlung
Hinweise hierzu gegeben. Dies hing sicher auch mit dem in dieser Zeit neu be-
lebten „Urlaub auf dem Bauernhof“ zusammen und führte zur Idee eines ver-
einsinternen Blumenschmuck-Wettbewerbs. Dieser wurde seitdem nahezu
50-mal ausgetragen, unterbrochen durch eine Prämierung von Hofbäumen oder
Wandbepflanzungen. Dass noch immer großer Wert auf Blumenschmuck und
gärtnerische Besonderheiten gelegt wird, ist dem Ort anzusehen.
Seit den 1970er Jahren wird die Wechselbeziehung Mensch –Umwelt neu über-
dacht und aufgrund schlechter Erfahrungen das Bewusstsein für Natur, Ökologie
und Gesundheit geschärft. Im Hinblick auf die Gartenbewirtschaftung schlägt das
Pendel zurück. Obst, Gemüse und Kräuter aus dem eigenen Öko-Garten – erzeugt
ohne „chemische Keule“ – bekommen wieder eine Bedeutung. Der eine oder an-
dere „Nützling“, ob Vogel, Marienkäfer oder Florfliege, wird hofiert. Wasser wird
in die Gartengestaltung – wie das jetzt heißt – einbezogen und manchmal darf
sich die Natur in „Reservaten“ sogar fast frei entfalten.
„Unser Dorf soll schöner werden“
Graf Lennart Bernadotte erwies sich als Vordenker dieser neuen Welle und ließ
sich 1962 denWettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ einfallen. Bernadotte
war von 1955 bis 1982 Präsident der „Deutschen Gartenbau-Gesellschaft“, dem
Dachverband der Gartenbauvereine. Er hielt dieVereine als wichtigeTräger länd-
licher Kultur am besten für die Austragung des Wettbewerbes geeignet. Wenn
Vereinsmitglieder und deren Nachbarn von den Zielen einer Ortsverbesserung
überzeugt sind und engagiert mitmachen, wird eine Wirkung erreicht, mit der
eine „amtliche“ Dorferneuerung kaum mithalten kann! Wenn dann alles klappt,
tut das sowohl dem Verein als auch der Dorfgemeinschaft gut. Ein schmuckes,
ansprechendes Dorf in einer schönen, gegliederten Landschaft wirkt attraktiv, die
Landflucht wird verzögert,Touristen angelockt. Aus diesen Gründen ist derWett-
bewerb, der auf Kreis-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene durchgeführt wird,
bis heute ein Erfolg.
Auch der Gartenbauverein Hemhof unter dem Vorstand Josef Kunsler ließ sich
von der Idee begeistern. Unter fachkundigen Ratschlägen der Bewertungskom-
mission wurden realistische Etappenziele aufgestellt. Andere Vereine und natür-
lich die Gemeinde wurden mit einbezogen. Mit deren Unterstützung und viel
Eigenleistung gelangen denVereinsmitgliedern beachtlicheVerbesserungen des
Orts- und Landschaftsbildes. Solche bis in die Bausubstanz reichenden, also weit
über Blumenschmuck hinausgehenden Maßnahmen, sind das Anliegen desWett-
bewerbs. Angefangen bei einer ansprechenden Straßenbeleuchtung über pas-
sende Straßenbeläge, den Haustypen angemessene Gärten bis hin zu Hecken
und prägenden Einzelbäumen in der Feldflur erinnern noch heute manche Ver-